„Einfach leben“ klingt einfach und ist einfach nur gut. Das zumindest meinen immer mehr Bundesbürger. Der Lebensstil des Minimalismus findet immer mehr Anhänger. Statussymbole sind weniger wichtig, der Konsumwahn soll beendet werden. Aber wie lässt es sich einfach leben?
Einfach leben: Pflege des minimalistischen Lebensstils
Wer etwas haben möchte, kauft es sich und erfüllt sich umgehend seine Wünsche. Wer kann sich heute noch daran erinnern, wie es war, auf ein Möbelstück oder eine andere Anschaffung lange sparen zu müssen? Jeden Monat etwas zur Seite zu legen, damit am Ende der gewünschte Betrag beisammen ist?
Heute wird geschaut, ob das Geld am Monatsende dennoch reicht und schwupp! Schon ist der Einkauf (natürlich per Mausklick im Internet) erledigt, der Wunsch erfüllt. Daraus hat sich ein Konsumwahn entwickelt, der vor allem dadurch geprägt ist, dass sich in Häusern und Wohnungen unzählige Dinge ansammeln. Dinge, die auf den ersten Blick toll und unverzichtbar erscheinen, auf den zweiten Blick aber eben doch nicht so wichtig sind. Sie haben Geld gekostet und werden schließlich bei den Kleinanzeigen im Netz zu einem geringen Preis verhökert.
Wer jedoch einfach leben möchte, braucht so viele Dinge nicht. Vor allem braucht der Betreffende keine Reizüberflutung im Supermarkt, keine Anzeigen, die einem weismachen wollen, dass genau der beworbene Gegenstand jetzt unbedingt gekauft werden sollte. Nicht zuletzt kommt es dadurch nicht selten zur Überschuldung und so mancher schaut nur noch, mit welchem Kredit das aktuelle Darlehen abgelöst werden kann, damit die Mehrausgaben immer noch zu finanzieren sind.
Spätestens dann, wenn die Zinsen wieder steigen, ist dies keine Option mehr und jeder muss mit dem Geld auskommen, das er wirklich zur Verfügung hat. Mit Ausnahme natürlich großer Anschaffungen wie dem neuen Familienheim. Doch den Kauf des neuen Fernsehers auf Pump finanzieren? Angesichts der Kreditbelastungen ist dies vielfach nicht mehr möglich. Und auch nicht nötig!
Video: Mut zum Minimalismus: So funktionierts! – extreme und nachhaltig
Einfach leben und weniger Geld ausgeben
Es sagt sich so leicht, dass doch einfach weniger Geld ausgegeben werden kann. Doch kaum einer kann sich vorstellen, wie es ist, auf viele Dinge zu verzichten. Hier lohnt der der minimalistische Selbstversuch, bei dem klar wird, dass es einige Dinge gibt, die einfach zu schön und zu angenehm sind, um sie aufzugeben. Ein gemütliches Bett etwa, ein Kleiderschrank, ein Kühlschrank und einige andere Möbel sind kein Luxus, sondern meist Notwendigkeit.
Darauf zu verzichten hieße nicht, ein einfaches Leben zu führen oder zu mehr Nachhaltigkeit beizutragen. Aber es müssen nicht unnötig Möbel angeschafft werden, es braucht kein zweites oder drittes Auto in der Familie, um immer wieder mal mit etwas Anderem unterwegs zu sein. Das Geld, das für solche unnötigen Ausgaben gespart wird, kann sinnvoller investiert werden.
Der minimalistische Lebensstil zeigt sich in verschiedenen Situationen. Gerade im Alltag ist er häufig zu sehen, wobei er sich hier ganz allmählich eingeschlichen hat: Bücher werden auf dem E-Book-Reader gelesen, was Bücherregale überflüssig macht. Der iPod spielt die ganze Musiksammlung ab, CDs werden nicht mehr benötigt.
Video: VEGAN – 10 Tipps für Anfänger
Die ganze Wohnung ist minimalistisch eingerichtet und braucht keine schweren, großen Möbel mehr, um sich wohlzufühlen. Neue Möbel kaufen? Unnötig, es werden einfach die Erbstücke der Großmutter oder Tante aufgearbeitet und passen damit hervorragend in den minimalistischen Landhausstil. Damit ist gleich der Nachhaltigkeit Genüge getan, denn es wird weniger Holz für den Bau neuer Möbel benötigt. Auch Kleidung wird mehrfach verwendet und in Tauschringen und –börsen verkauft. Autos und Fahrräder werden geteilt, was günstiger für Portemonnaie und Umwelt ist.
Wer einfach leben möchte, zeigt diesen Trend auch bei der eigenen Ernährung. Die vegane Lebensweise setzt sich mehr und mehr durch und ihre Anhänger handeln nicht nur aufgrund von Tierschutzaspekten so. Sie wollen für die Umwelt etwas Gutes tun, für ihren Körper und natürlich auch für die Tiere, die nicht mehr für die Schlachtindustrie sterben müssen. Die vegane Lebensweise stellt für viele Menschen eine gesunde Alternative dar, denn auch der menschliche Körper leidet unter dem ständigen „Zuviel“.
Der Konsumwahn erstreckt sich schließlich auch auf das Essen, denn mal ehrlich: Wird wirklich immer alles gegessen, was beim Wochenendeinkauf im Korb landet? Oder wird nicht ein ganzer Teil davon weggeworfen, weil es nicht schmeckt, das Haltbarkeitsdatum überschritten wurde oder schlichtweg zu Hause der Appetit darauf weg ist?
Doch auch ein einfaches Leben ist kein schlechtes Leben, denn wer den Minimalismus einmal ausprobiert hat, wird sich nicht vorstellen können, zum alten Lebensstil zurückzuwechseln. Nicht umsonst sind Bücher, in denen es um den minimalistischen Stil geht, um Nachhaltigkeit im täglichen Leben und um die Vermeidung der ständigen Reizüberflutung Bestseller.
Einfach leben und minimalistisch arbeiten
Einfach leben und arbeiten heißt auch, auf der Arbeit kürzerzutreten. Der Mensch ist nicht nur aufgrund des ständigen Konsums komplett überfordert, sondern auch durch die häufigen Überstunden und die Belastungen bei der Arbeit. Immer noch ist es zwar so, dass die „Arbeitstiere“ schneller Karriere machen, doch was haben sie davon? Sie können nicht einfach leben und glücklich sein, sich Zeit lassen und Hobbys oder die Familie genießen. In dieser Zeit könnten sie etwas verpassen! Wie belastend dieser Lebensstil auf Dauer ist, zeigt sich an der Anzahl der Menschen, die unter Burn-out leiden.
Die Hälfte der Arbeitnehmer in Deutschland fühlt sich mittlerweile gestresst und hat das Gefühl, den Anforderungen nicht mehr gerecht werden zu können. Die Zahl der Aussteiger, die sich ein einfaches Leben ohne Verpflichtungen im Job aufbauen, steigt. Das muss nicht auf Staatskosten sein, denn in vielen Jobs ist ein Sabbatical möglich, es kann zu Kurzarbeit gewechselt werden oder der Urlaub wird zur Not unbezahlt deutlich verlängert. Immer mit der Option der Rückkehr, doch die wenigsten wollen wieder zurück, nachdem sie einmal erlebt haben, welche Vorteile es hat, kürzerzutreten. Interessanterweise gibt es bereits Belege dafür, dass die Produktivität bei kürzerer Arbeitszeit nicht schwindet!
Schweden testet teilweise die 30-Stunden-Woche und bietet den Teilnehmern die gleiche Bezahlung. Sie schaffen ihre Arbeit immer noch, denn sie sind erholter und motivierter. Minimalismus und einfach leben heißt eben auch, sich nur noch auf das Wesentliche zu konzentrieren und das muss die eigene Lebensgestaltung und nicht die Zeit im Büro sein!
Tipps für mehr Nachhaltigkeit im eigenen Leben entdecken
Einfach leben und neue Ziele entdecken, eine neue Leichtigkeit spüren und dabei gleichzeitig nicht das Gefühl haben, auf etwas verzichten zu müssen: Der Minimalismus ist stark im Kommen und wer ihn probiert hat, kommt nur schwer wieder davon los. Mit den folgenden Tipps ist es ein Leichtes, den idealen Weg für sich selbst zu entdecken und einfach leben zu lernen:
- Nur Dinge kaufen, die wirklich gebraucht werden.
- Portemonnaie entleeren und Inhalt halbieren: Nur eine Hälfte darf ausgegeben werden!
- Schuhe und Kleidung aussortieren: Was länger als zwei Jahre nicht getragen wurde, wird gespendet oder verkauft.
- Stecker von elektrischen Geräten ziehen, Fernsehgerät und Tablet für eine Woche nicht nutzen.
- Bücher aus der Bücherei leihen, statt sie neu zu kaufen.
- Werbesendungen verbieten (mit entsprechendem Aufkleber auf dem Briefkasten)
- Lernen, sich klar auszudrücken. Ein „Nein“ ist kein „Jein“!
- Einfach vegan kochen lernen.
- Sich Zeit nehmen für all die Dinge, die bisher nebenbei erledigt wurden.
- Mit den Kindern auf die Suche nach Naturschönheiten gehen.
- Weniger arbeiten und dafür auf die Gehaltserhöhung verzichten.
Video: Extrem-Minimalist Max Gaedtke | 118 Gegenstände reichen | Verzicht ist Freiheit | Minimalismus
Viele dieser Tipps werden beim ersten Lesen damit quittiert, dass sie doch unmöglich ernst gemeint sein sollen. Sich eine Woche vom Internet abkoppeln? Was ist mit den sozialen Netzwerken? Dazu eine Gegenfrage: Wer ist aus den sozialen Netzwerken wirklich bekannt und für einen da, wenn es in der Realität Probleme gibt? Wer auch „in echt“ mit den Menschen befreundet ist, braucht kein Facebook und Co., um mit diesen Leuten zu sprechen oder sich über Probleme auszutauschen. Wer sich eine bewusste Auszeit von Computer und Fernseher nimmt, hat mehr Zeit für andere Dinge. Für die Familie, für eigene Erkundungen, für mehr Bewegung in der Natur.
Wichtig ist immer, die Zeit bewusst zu genießen und nicht durch neu gesuchte Verpflichtungen zu verplanen. Denn auch das gehört zu einem minimalistischen Leben dazu: Die zur Verfügung stehende Zeit wirklich zu nutzen. Es ist erstaunlich, wie lang ein Tag sein kann, wenn er nicht mit dem Internet vergeudet wird, denn hier ist es wie im Supermarkt: Meist wird dort mehr gekauft, als eigentlich auf der Einkaufsliste stand. Im Internet wird oft nach anderen Dingen geschaut als nach denen, die im Moment wichtig sind. Die Zeit ist unwiderruflich verloren und gilt doch als wichtigstes Statussymbol der neuen Zeit.
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